Jeder Makrofotograf kennt das Problem, dass man im Nahbereich die Tiefenschärfe nicht unbegrenzt durch Verkleinern der Blende erhöhen kann. Spätestens, wenn Beugungseffekte eine Rolle spielen, ist mit dieser Strategie Schluss. Focusstacking ist die Lösung dieses Problems: Eine Überlistung der Physik mit Mitteln der Datenverarbeitung. Dasselbe Motiv wird mit unterschiedlichen Schärfeebenen fotografiert und aus dieser Schärfereihe wird ein einziges Bild erzeugt, das von vorne bis hinten scharf ist. "FOCUS projects professional" hilft hierbei mit vielen automatischen und manuellen Funktionen und Optimierungsmöglichkeiten. Das Bedienkonzept sowie die Benutzeroberfläche ist bei allen Programmen aus der "projects professional"-Reihe identisch, sodass sich der Nutzer sofort zurechtfindet und schnell gute Ergebnisse produziert.Installation:Im Lieferumfang enthalten sind sowohl Mac- als auch Windows-kompatible (32/64-Bit) Versionen. Ich habe die Software auf meinem Windows 8.1.-System als 64-Bit-Version installiert. Das ging schnell und problemlos. Neben der Stand-alone-Software liefert der Hersteller auch Plug-Ins für Adobe-Programme mit. Warum aber zur Aktivierung des Programms ein 45-stelliger (!) Code abgetippt werden muss, bleibt das Geheimnis des Herstellers. Da sind Vertipper vorprogrammiert (ich brauchte 3 Anläufe). Eine kürzere Seriennummer hätte es wohl auch getan. Positiv aber ist, dass das Programm auf bis zu drei Rechnern installiert werden darf.Leider erkennt das Programm nicht automatisch, wenn ein neues Update mit Fehlerbereinigungen oder neuen Kameraunterstützungen für das RAW-Format zur Verfügung stehen. Daher sollte man ab und zu direkt auf der Hersteller-Webseite nachsehen, ob es ein neues Update gibt.Dokumentation/Handbuch:Das PDF-Handbuch ist mit 19 Seiten etwas dürftig ausgefallen, enthält aber alle für den Einstieg wichtigen Beschreibungen. Eine ausführlichere Hilfe als PDF oder Online-HTML ist leider nicht vorhanden. Beispieldateien oder -projekte fehlen ebenfalls. Dies erschwert den Einstieg in das Programm, weil man zuvor eine geeignete Schärfereihe erstellen muss. Dies ist gar nicht so trivial und ich brauchte mehrere Anläufe...Zur Erstellung einer Schärfereihe sind einige Punkte zu beachten, damit man vom späteren Ergebnis nicht enttäuscht wird: Als Motiv eignen sich alle unbewegten Objekte, die auch unbedingt mit einem Stativ fotografiert werden müssen. Es kommt ansonsten zu Verwischungen im Ergebnisbild. Schon sich bei Windstille minimal bewegende Blätter werden als Unschärfe sichtbar! Eine gute Beleuchtung ist wichtig. Je mehr Schärfeebenen fotografiert werden, desto schärfer wird auch das Ergebnisbild.Grundsätzlicher Arbeitsablauf:Hat man die grundsätzliche Bedienung des Programms erst einmal verstanden, ist der Arbeitsablauf immer derselbe: Nachdem man eine Schärfereihe ausgewählt hat (das Programm unterstützt nahezu alle Bildformate), wird das erzeugte Bild in einem Vorschaufenster angezeigt, das dann noch optimiert werden kann und anschließend als Ergebnisbild gespeichert wird. Die Arbeitsoberfläche ist gut strukturiert und der hinterlegte Workflow einfach und nachvollziehbar. Die Oberfläche des Programms kann bei Bedarf dennoch nach eigenen Vorstellungen frei konfiguriert werden.Funktionalität:Jede einzelne Funktion zu beschreiben, würde zu weit führen, aber auf einige grundlegende Funktionen möchte ich dennoch eingehen.Sobald die Schärfereihe geladen wurde, stehen 20 Voreinstellungen zur Auswahl, wie z.B. "neutral", "kraftvoll", "weicher Kontrast" und "Graustufen". Mit dieser Vorauswahl legt man die grundsätzlichen Effekte bezüglich Farbe/sw, Helligkeit, Kontrast, Schärfe etc. fest. Voreinstellungen können importiert oder exportiert werden. Darüber hinaus gibt es noch den Optimierungs-Assistenten, der für das aktuelle Bild die besten Einstellungen für Kontrast, Schärfe, Tonwert etc. festlegt. Nachträgliche manuelle Änderungen sind über Schieberegler jederzeit möglich. Für den Fortgeschrittenen stehen zahlreiche weitere Effekte wie Gradationskurve, Helligkeits-Kontrast-Gamma und Farbpalette zur Verfügung.Wem das Ergebnis dann immer noch nicht gefällt, der kann die einzelnen Bilder der Bildsequenz, den Focus Stack, nachbearbeiten: Einzelne Bilder aus der Berechnung herausnehmen, Belichtungen verändern, Bilder umsortieren, Algorithmen auswählen und individuell anpassen, Bereiche bei der Berechnung ausschließen usw. Das wohl komplexeste Werkzeug in diesem Programm!Bei vielen Anpassungen empfiehlt es sich, manuelle "Undo"-Punkte zu setzen, um Änderungen später wieder zurücknehmen zu können.Gefällt einem das so entwickelte Foto im Vorschaufenster, wird das Ergebnis z.B. als JPEG gespeichert. Die für das Bild gewählten Effekte und gesetzten Undo-Punkte können dann als separates Projekt abgelegt werden. Wer nur die Möglichkeit des Focusstacking nutzen möchte und den Rest in seiner gewohnten Bildverarbeitung optimieren will, kann das natürlich auch tun.Stabilität und Fehler:Das Programm läuft auf meinem System sehr stabil - Programmabstürze sind bisher ausgeblieben. Auch nennenswerte Fehler sind mir nicht aufgefallen.Wer sich erst von der Leistungsfähigkeit der Software überzeugen möchte, sollte sich von der Herstellerwebseite die 30-Tage-Demo-Version herunterladen.Fazit:FOCUS projects ist bereits in der ersten Version ein erstaunlich ausgereiftes, schnelles und funktionsstarkes Programm. Es gibt kaum einen Parameter, der durch den Anwender nicht individuell angepasst werden kann. Das durchdachte Bedienkonzept sorgt dafür, dass sowohl Einsteiger als auch Fortgeschrittene überzeugende Ergebnisse erstellen können. Die Dokumentation inkl. Beispielprojekte ist aber noch verbesserungswürdig. Dennoch von mir verdiente 5 Sterne.