Unterhaltsame Sinnlosigkeit
Ich könnte meine Rezension zu Tomodachi Life abkürzen, indem ich auf ein Zitat aus der N-Zone verweise, das den Nagel auf den Kopf trifft: "Das Spiel macht keinen Sinn und ist sich dieses Umstandes zu jedem Zeitpunkt voll bewusst." Besser kann man es meiner Meinung nach nicht ausdrücken. Wenn Tomodachi Life ein ernst gemeintes Spiel wäre, hätte ich es bestimmt schlechter bewertet. Aber dadurch, dass es diverse Alltagssituationen ad absurdum führt und dabei oft ein überdeutliches Augenzwinkern vernehmen lässt, kann man das Gameplay genießen. Es würde den Rahmen sprengen, auf restlos alle Details einzugehen, die den Spielern hier geboten werden. Manche Features ziehen einen dermaßen langen Rattenschwanz mit sich, dass man eine Komplettlösung verfassen müsste, um allen Besonderheiten gerecht zu werden. Trotzdem möchte ich auf ein paar Punkte von Tomodachi Life etwas genauer eingehen.
Punkt 1: Wer soll es sein?
In Tomodachi Life geht es darum, Inselbewohner zu unterhalten und ihnen dabei zuzuschauen, wie sie miteinander interagieren. Dabei tun sie die alltäglichsten Dinge: Sie gehen an den Strand, gründen Bands, veranstalten Grillpartys und Wettbewerbe, treffen sich im Café, gehen in den Vergnügungspark, freunden sich miteinander an und kriegen im Falle einer entstandenen Liebesbeziehung sogar Kinder, die man entweder ebenfalls als Bewohner registrieren oder auf eine Reise schicken kann. Insgesamt kann man 100 Appartements mit Miis füllen. Wen man einziehen lässt, bleibt einzig und allein dem Spieler überlassen: Man kann Figuren erfinden, Freunde und Familienmitglieder erstellen oder die Miis bekannter Persönlichkeiten via QR-Code herunterladen. Auf diese Art und Wiese sind die unterhaltsamsten Szenarien möglich, wie beispielsweise eine Freundschaft zwischen Harry Potter und Voldemort oder eine Beziehung zwischen SpongeBob Schwammkopf und Madonna. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, was oft zu kuriosen Situationen (und dem einen oder anderen Lachanfall) führen kann. Und wenn man einen Bewohner austauschen, verändern, umbenennen oder löschen möchte, kann man das im Rathaus jederzeit tun. (Bei via QR-Code heruntergeladenen Miis kann es allerdings vorkommen, dass man sie nicht editieren kann.)
Punkt 2: Das Leben auf der Insel
Die Insel besteht aus vielen einzelnen Bereichen und Gebäuden, die jede Menge Features für den Spieler bereithalten. Manche von ihnen sind für den Alltag unumgänglich, andere hingegen sind dermaßen nutzlos, dass man sie auch hätte weglassen können. Die Boutique (Kleidung), der Hutmacher (Kopfbedeckung) und der Supermarkt (Speisen und Getränke) sind tägliche Anlaufstellen mit wechselnden Angeboten, die man regelmäßig besuchen sollte. (Wer Wert auf Vollständigkeit legt, wird sehr viele Spielstunden investieren müssen, da sich die Angebote teilweise nach den Jahreszeiten richten. Meiner Meinung nach hat man es mit dem Sortiment stellenweise ein wenig übertrieben.) Außerdem gibt es ein Pfandhaus, einen Glücksbrunnen, eine Konzerthalle, einen Strand, ein Möbelhaus, ein Rathaus, diverse Ranglisten, einen Aussichtsturm, ein Mii-Viertel für verheiratete Paare, einen Affinitätstester, einen Park, ein Fotostudio, Mii-Nachrichten, einen Vergnügungspark und ein Café. Hier wurde Tomodachi Life leider künstlich aufgebläht. Diese kritische Aussage möchte ich anhand eines Beispiels präzisieren: Der Affinitätstester soll dem Spieler verraten, welche Miis gut miteinander auskommen und welche nicht. Bei gegengeschlechtlichen Paaren gibt er sogar an, ob sich zwischen ihnen eventuell eine Liebesbeziehung entwickeln könnte. Leider haben die Werte so gut wie keinen Einfluss auf das Spiel. Somit ist der Affinitätstester leider ein reines Spaßfeature, das man auch gleich hätte weglassen können. Das gilt auch für die Ranglisten, die teilweise einen zufälligen Eindruck machen und das Leben auf der Insel kaum merklich beeinflussen.
Punkt 3: Gleichgeschlechtliche Paare
In Tomodachi Life ist es nicht möglich, gleichgeschlechtliche Partnerschaften entstehen zu lassen. Hier wird lediglich ein Freundschaftswert angegeben. In meinem Fall hatte das zwar keine Auswirkungen, aber ich finde diesen Umstand dennoch rückständig, weshalb ich die entsprechende Kritik nachvollziehen kann. Ich glaube, dass Nintendo diesen Makel heutzutage beseitigen würde.
Punkt 4: Charaktertypen
In Tomodachi Life gibt es 16 Charaktertypen, die sich auf vier Hauptgruppen verteilen: Ruhig (unbeständig, Sonnenschein, warmherzig, gemächlich), lebhaft (Flirtgranate, Abenteuertyp, Kumpeltyp, extrovertiert), kühl (Geduldsengel, intellektuell, introvertiert, nachdenklich) und nüchtern (zielstrebig, ehrgeizig, Freigeist, schwungvoll). Durch die Einstellungen kann der Spieler zwar Einfluss darauf nehmen, in welche Richtung der Charakter eines Miis geht, die endgültige Einordnung erfolgt jedoch automatisch. Wobei die Charaktertypen der Bewohner sowieso nur eine untergeordnete Rolle spielen. Im Endeffekt verhalten sich die Miis nämlich mehr oder weniger gleich, was ich schade finde. Hier hätte ich mir etwas mehr Individualität gewünscht. (Das gilt auch für den Zufriedenheitslevel der Miis, der praktisch keine Auswirkungen auf das Gameplay hat.)
Punkt 5: Ein Spiel für jede Jahreszeit
Was mir an Tomodachi Life besonders gut gefällt, ist der Umstand, dass das Spiel in Echtzeit abläuft. (Es gibt zwar die Möglichkeit, die Uhr umzustellen, allerdings würde ich davon abraten, da diese Maßnahme dazu führen kann, dass in den Shops vorübergehend keine neue Items auftauchen.) Im Sommer beklagen sich die Bewohner über die Hitze, während sie im Winter frieren und sich auf Weihnachten freuen. (Bestimmte Feste werden von den Miis sogar wahrgenommen und kommentiert. In der Weihnachtszeit ändert sich sogar die Hintergrundmusik.) Die Shops passen ihr Sortiment ebenfalls an die jeweilige Jahreszeit an und verkaufen saisonale Kleidungsstücke und Einrichtungen. Auf diese Art und Weise kann man die Appartements seiner Miis jederzeit passend ausstatten. Und wenn man Geburtstag hat, lohnt es sich ebenfalls, die Konsole kurz anzuschalten, da die Miis dem Spieler ein (ziemlich schräges) Ständchen singen und man nur an diesem Tag den Geburtstagskuchen erhält, der unerlässlich für die Komplettierung der Items ist.
Punkt 6: Keine Frustmomente
Tomodachi Life ist kein Spiel, an dem man stundenlang sitzen kann. Vielmehr sollte man auf kurze Slots von 15 bis 30 Minuten setzen. Das reicht, um seinen Miis kurz guten Tag zu sagen und die aktuellen Funktionen und Minispiele abzugrasen. (Hierbei ist zu erwähnen, dass diese sich mit der Uhrzeit verändern.) Nachts ist eher wenig los, da auch die Miis irgendwann müde werden und sich zu Bett begeben. Und ist ein Mii erstmal eingeschlafen, kann man es nicht mehr aufwecken und muss warten, bis es von selbst aufsteht. Diese unproblematische Mii-Pflege sorgt dafür, dass es in Tomodachi Life nahezu keine Frustmomente gibt. Gut, hin und wieder arbeitet man tagelang auf eine bestimmte Beziehung hin, die dann entweder nicht lange hält oder sich gar nicht erst entwickelt, was schon ein wenig nervig sein kann. Aber abgesehen davon ist Tomodachi Life ein Game, bei dem sich spielen noch wie spielen anfühlt und nicht wie Arbeit. Aus diesem Grund handelt es sich um eine unterhaltsame Sinnlosigkeit für alle Altersklassen.